Die Researcharbeit beschäftigte sich mit Möglichkeiten von archivierenden Prozessen, um die Arbeitsweisen und ihnen innewohnenden Potentialen von und in Erinnerungsverläufen. Die Researcharbeit gliedert sich in drei Teile "Annäherungen", "Vernetzungen" und "Perspektiven" . Der Prozeß begann mit der Sichtung des Videomaterials zu meinen Tanzstücken und der dazugehörigen Notizbücher der vergangenen 20 Jahre. Ich habe das Material geteilt in Soloarbeiten und Ensemblearbeiten. Unter folgenden Aspekten habe ich die Videos angeschaut:
- Verbindung zu anderen Künsten (Literatur, Bildende Kunst, Musik) - Abstraction und Narrativ - Kompositionelle Elemente - Bezug zu gesellschaftsrelevanten Themen
Bestimmte Elemente tauchten in den Arbeiten immer wieder auf: ein bestimmter Umgang mit Musik, mit Material/Objekten, die Tatsächlichkeit im Tun, narrativ Dis-order, Medien. Um die Tanzarbeiten in ihrer kulturpolitischen Relevanz einordnen zu können, bin ich nach Köln gefahren und habe mir Videos von Anna Huber, Zufit Simon, Britta Lieberknecht, Isabelle Schad, Boris Charmatz, Yvonne Rainer im Vergleich zu meinen Arbeiten unter den gleichen Aspekten wie oben genannt angeschaut.
Im Rahmen meiner Unterrichtstätigkeit an einer Berufsfachschule habe ich über Videobeispiele aus meinen Arbeiten und Arbeiten anderer Choreograp*hinnen desselben Zeitraumes (1998-2020) meinen Standpunkt des zeitgenössischen im Tanz mit den Student*innen erörtert. Aus der Reflektion meiner Arbeit habe ich Scores herausgearbeitet, mit denen ich mich im praktischen Teil des Researches beschäftigt habe. Sowohl in Solo Improvisationen als auch in der Arbeit mit den Student*innen habe ich an den Scores gearbeitet. (siehe auch Texte Annäherungen und Scores)
Im weiteren Verlauf meines Researches habe ich begonnen, verschiedene Elemente (Objekte, Musik, Scores, Kostüme, Videoprojektionen) einzelner Tanzstücke in einen neuen Kontext zu setzen. Das "Archiv" der Exponate wurde aus dem Verwahrort in einen Prozeß gebracht. Durch diese an-archivische Arbeiten konnte ich andere Verbindungen schaffen und realisieren, welche Aspekte der Stücke sich in anderen wiederfinden.
Unter den Voraussetzungen impliziert der Vorgang an-archivischen Arbeitens immer eine Tilgung ursprünglicher Kontexte, die den Objekten ein Vergessen zuführt. Gleichzeitig wird der Fokus auf das Aktuelle gelenkt. Die frühere Arbeit erfährt eine Dekonstruktion. Ähnlich verfahren habe ich mit dem Bewegungsmaterial und Scores, das ich an eine junge Tänzerin weitergeben habe, um zu sehen, wie das Material sich verändert und in einem anderen Kontext erscheint. Der Körper weist im Wiedertun selbst archivarische Qualitäten auf. Der Transfer des vergangenen Ereignisses erfolgt nicht in andere mediale Träger wie Papier oder Film, sondern in einen anderen Körper, der mittels Tanzbewegungen und ihre choreografischen Anordnungen als Überträgermedium fungiert.
In dieser Phase habe ich immer wieder Menschen zu kurzen Showings und anschließenden Diskussionen eingeladen. Themen waren: Orginal und Kopie Archivieren und Sammeln
Wann wandelt sich das tänzerische Bewegungsmaterial in ein gleichsam Fleisch gewordenes Dokument? Im perspektivischen Teil der Researcharbeit habe ich mich mit anderen Formaten der Tanzperformance beschäftigt. Es geht darum in neuen Arbeiten radikaler zu werden, Dinge mehr auf den Punkt zu bringen. Aus der Auseinandersetzung mit meinen vorangegangenen Arbeiten wurde deutlich, daß es nicht um DAS NEUE geht sondern um Dekonstruktion und Dekontextualisierung, die andere Perspektiven erschließt. Daher arbeite ich momentan an einem Solo "Can a trace take the form of a living foot?" (siehe Anlage Flyer), das die praktische Umsetzung des 7 monatigen Researches ist.
Das Researchthema war überaus komplex und hatte mehrere Unterthemen: archivarische und an-archivarische Arbeit in performativer Kunst und embodied Archive, Reflektion der eigenen Arbeit hinsichtlich kulturpolitischer Relevanz, Weiterentwicklung der eigenen Arbeit. Zu jedem Punkt hätte ich eine umfassendes Research machen können. Hinsichtlich meinem Bestreben, meine künstlerische Arbeit weiter zu entwickeln, hat das Research beigetragen. Die 7 Monate waren für den Prozeß wichtig und notwendig, da die Reflektion und physische Umsetzung Zeit brauchen.
Für mich war die Zeit befriedigend, da dieses eine Thema im Vordergrund stand und ich alle anderen Projekte darauf beziehen konnte. Durch die konkrete Arbeit an dem Solo "Can a trace take the form of a living foot?" setze ich die Arbeit fort.